Wann:
28. April 2017 um 19:30 – 26. Mai 2017 um 19:00
2017-04-28T19:30:00+02:00
2017-05-26T19:00:00+02:00
Wo:
St. Christophorus
Nansenstraße 4
12047 Berlin
Deutschland
Preis:
Kostenlos

 

 

Ton van der Laaken, Arnhem Niederlande-
Secret Sky meets Berlin, Installation

 

 
Mit der Installation „Secret Sky meets Berlin“ von Ton van der Laaken  (Niederlande) startet am 28.04 das Programm von Kunst in der Kirche in St. Christophorus für das Jahr 2017. Der niederländische Künstler, Professor für Gestaltungslehre an der Hochschule Düsseldorf bezeichnet seine Zeichnungen Fotoarbeiten, Installationen und Objekte als „Intervention der Stille“. Er versucht in seinen Arbeiten eine Thematisierung heutiger Zeiterfahrungen; er arbeitet an der Wahrnehmung und Erfahrung ‚entschleunigender Prozesse‘ und setzt sich mit der ‚Entbilderung‘ der Wucht digitaler Welten auseinander.

Aus drei Filzkokons (H 200 x ∅135 cm) schafft er drei Räume, die in ihrem Inneren dunkel und verschlossen, nach außen aber hell und samtig sind. Drei stille Räume im sakralen Raum der Kirche,  die die Besucher einladen, sich dort hinein zurückzuziehen, in Stille  und Dunkelheit zu sitzen und der Macht von Gedanke und Bild zu entkommen.

Ton van der Laaken zitiert Meister Eckardt „Das Beste in diesem Leben, was man erreichen kann, ist ein Zustand des Schweigens und alle Dinge darin zu vergessen samt ihrer Bilder“. Ein Experiment, ein Dialog zwischen Wahrnehmung, künstlerischem Verständnis,  buddhistischer und  christlicher Meditationspraxis.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation herausgegeben vom Fachbereich Design Peter Behrens School of Arts Hochschule Düsseldorf.

Prof. Celia Caturelli

Vernissage: 28.04.2017, 19.30 Uhr
Ausstellungsdauer: 29.04. bis 26.05.2017
 
Öffnungszeiten: Do 16-19, Fr 19-22, Sa 16-18, So 11-17 Uhr, nach Vereinbarung bis 09.06.2017

Ton van der Laaken (* 1952 Breda Niederlande) absolvierte eine Schreinerlehre, studierte Baukunde und Freie Kunst an der Kunstakademie Arnhem und absolvierte seinen MA an der Jan van Eyck Akademie in Maastricht — Mixed Media und Skulptur. Zwischen 1984 und 1995 realisierte er im europäischen Raum Wandgemälde des amerikanischen Konzeptkünstlers Sol le Witt,  zudem unterrichtete er von 1986 bis 1996 an der Kunstakademie Arnhem sowie an der Akademie für Baukunst in Arnhem und Rotterdam. Seine künstlerischen Arbeiten erforschen die Grundbedingungen der Wahrnehmung — so entstehen raumbezogene Mixed Media Arbeiten, Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen und Fotografien. Durch seine zahlreichen Reisen nach Asien sowie Klausuren in Tibetischen Klöstern versucht er immer mehr, die Begegnung zwischen östlichen und westlichen Denkweisen in seine künstlerische Arbeit zu integrieren.  Seit  1978 stellt er in verschiedenen Ländern aus (Niederlande, Belgien, Spanien und Deutschland u.a.) aus. 2016 realisierte er seine Installation „Secret Sky“  für die De Ketelfactory in Schiedam (Nl), wo Zeit bewusst in Dunkelheit erfahren werden konnte. Ton van der Laaken ist seit 1996 Professor für Gestaltungslehre an der Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Design.

 

„… die Kokonerfahrung bei sich behalten“

Interview zur aktuellen Ausstellung „Secret sky meets Berlin“ mit Ton van der Laaken, Foto und Text (c) Evelyn Christel                                                                                                                                                                                                                                                                                      

Einführung von Ton van der Laaken vor dem Interview

Man zieht die Schuhe aus, das Handy bleibt draußen, man sitzt da und erfährt nur seinen Körper und seinen Geist. Man sitzt und beobachtet, was man spürt, was man hört. Dann kommen die Gedanken. Am besten ist es, wenn man sie nur beobachtet, man kommt zurück zum Atem. Es gibt keinen Impuls von außen, in die Dunkelheit, außer Geräuschen ab und zu. Nach fünf Minuten geht das Licht an. Fünf Minuten sind das Minimum. Wenn man das Zeitlimit nicht stellt, dann wird es wie ein Gag, die Leute gehen rein und raus. Aber dann kommt man nicht auf die Ebene, auf der man etwas erfährt. Doch Zeit ist relativ, man denkt, dass man eine Ewigkeit drin sitzt und dann sind es nur fünf Minuten.

Es ist eigentlich ein inneres Gebet.

Herr van der Laaken, was ist das für ein Material?

Handgefilzte Schafwolle. Den ersten Kokon habe ich selbst gemacht. Eine holländische Frau arbeitet  mit Frauen in Rumänien zusammen für verschiedene künstlerische Projekte. Sie behandeln die Wolle in der alten Tradition, die Schafe werden geschoren, die Wolle handgefilzt. Ich habe die Muster gebracht. Eine Frau näht. Die Rumäninnen sind auch schon zu Ausstellungseröffnungen gekommen. Sie sind auch jetzt wieder sehr interessiert, an dem Projekt in der Kirche.

Die Form erinnert an ein Zelt oder eine Jurte.

Dahinter steht ein ganzer Prozess. Ich hatte mir selbst eine Art Meditationshütte im Garten gebaut, in der ich jeden Tag sitze. Nach drei Jahren hatte ich überlegt, ob ich diese Erfahrung nicht in die Welt bringen und umsetzen könnte. Als eine Art Erfahrungsskulptur. Dann habe ich die Maße aus dem Körpermaß und Studien von Proportionen entwickelt. Dann ist da die Frage nach dem Material. Holz ist zu kistenartig und wie ein Klangkörper, Kunststoff ist zu eng, atmet nicht. Langsam entwickelt es sich zu einer Form. Es muss noch das Kriterium erfüllen, immer wieder verwendbar zu sein. Das Ding muss ich selbst machen, aufbauen und heben können. Ich muss es transportieren können, nach dem Maß meines Autos. So entwickelt sich ein System. Ich habe Teile selbst geschmiedet. Das Plakat zeigt die 76 Teile, aus denen ein Objekt zusammengestellt ist. Die Zusammenstellung zeigt die Teile und das Ding. Es ist nie nur ein Ding an sich.

Sie bauen nicht nur eine Skulptur wie andere, Sie suchen mehr Kommunikation?

Künstler suchen immer Kommunikation. Die Materialität ist für mich wichtig. Das ist so, dass ich im Prozess des Nichtwissens versuche offen zu sein. Bei einem Spaziergang habe ich eine Pflanze gesehen, in Zigarrenform, die im Herbst flauschig wird. Da wusste ich, dass es die Weichheit haben muss. Dann habe ich davon Fotos und Zeichnungen gemacht. Auch in der Kommunikation vor Ort geht der Prozess weiter. So ist die Idee entstanden, die Kirchenbänke abzubauen, damit eine neue Verbindung im Raum entsteht.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie etwas in einem sakralen Raum machen?

Es ist eher so, dass ich in einem normalen Raum oder einem Kunstraum versuche, einen sakralen Raum zu kreieren. Einen sakralen Raum im Sinne eines Raums der Stille. Ich versuche, eine Situation zu kreieren – das kann Skulptur, Zeichnung oder Installation sein – eine Situation, die eine Bewegung nach innen ist, ein inneres Sehen. Es hat immer mit Materialität und Licht zu tun, Materie als Kondensierung von Licht. Teilchen sind Licht, in der Quantenphysik. So dass es einen Bezug gibt, zum inneren Licht. In der christlichen Kunst, etwa auf Ikonen, da haben die Heiligen Strahlen. Und es gibt die ganze Lichtmystik im Christentum.

Waren Sie schon immer ein spirituell orientierter Mensch?

Ich bin ursprünglich katholisch erzogen. Das war eine andere Zeit als jetzt. Das war nicht so offen wie hier. Es ist wunderbar, wie der Pfarrer mit den Menschen umgeht, wie hier miteinander gesungen wird. Ich habe es damals so erlebt, dass der Priester kam und meinen Eltern sagte, meine Schwester muss ihre Beziehung mit einem evangelischen Freund beenden, sonst kommen ihre Kinder in die Hölle. Das war eine heftige Erfahrung.  Dann habe ich mich davon abgewendet. Versucht zu meditieren, zu reisen, zu experimentieren. Mein buddhistischer Lehrer hat vergleichende Gotteswissenschaften in London studiert. Er konnte mir von seinem buddhistischen Hintergrund aus etwas Sinnvolles über das Christentum sagen, was ich früher nie verstanden habe. Da war kein Unterschied mehr, es war einfach eine andere Tradition, aber es geht um dieselben Dinge. Wenn man alte Ikonen sieht und tibetische Boddhisattvas, die hier vielleicht Heilige genannt werden, habe sie dieselbe Bedeutung.

Wie berühren sich die Installationen mit diesem Raum hier? Ist es für Sie eine Verstärkung?

Gerade das Moment in der mystisch christlichen Tradition ist es, der innere Weg. Goethe hat gesagt, schwarz ist der Ursprung von Licht. Schwarz und die Entbilderung sind nicht die Negativform von „nix“. Sondern dass ich zu einem Kern komme, in dem die Potenz für alles das ist und sich entfalten kann. Die Kissen sind aus verschiedenen Farben. Das bedeutet, man sitzt quasi auf Licht. Und darum herum ist Farbe, das Potential. Das ist eine andere Erfahrung, als wenn man in die Kirche kommt zum Gebet. Da ist kein Lied, kein Text, aber die Essenz. Man sitzt da mit seinem Atem und seinem Körper und seinem Geist. Das ist im tiefsten Sinne, worum es im Gebet auch geht.

Zurück in die Leere und empfangsbereit sein?

Ja, die Göttlichkeit ist in Dir, sie ist schon da.

Wie gehen Sie mit diesen Themen bei ihren Studenten um? Das sind keine coolen Themen. Viele Menschen leben fast ganz ins Außen gewendet.

Der Grund, warum ich angefangen habe, diese Dinge zu bauen ist, weil ich mit Studenten gearbeitet habe. 25 bis 30 Prozent haben Burnout oder sind depressiv. Ich habe es nicht so genannt, aber faktisch habe ich mit ihnen auch meditiert und Themen wie Stille und Langsamkeit eingebracht. Viele haben eine große Offenheit. Einmal habe ich in einem Intensivkurs gearbeitet und den ersten Kokon ausprobiert. Sie haben sich dann täglich eine halbe Stunde hinein gesetzt. Wenn man über solche Mittel geht, wie Material oder Skulptur, kann man es auf eine andere Art erfahrbar machen. Ich habe  am Freitag vergangener Woche auf Einladung der Universität Nijmwegen für die Nacht der Philosophie einen Kokon aufgebaut. Da kamen 800 junge Leute, nicht nur Philosophiestudenten, sondern auch Wirtschaftler und andere. Sie haben sich hinein gesetzt. Das bringt eine Reflexion und ganz andere Gespräche in Gang.

Dieser Kokon aus Filz wirkt so, als ob er dämpft.

Geräusche werden zwar gedämpft, aber wir fokusieren unsere Geist und werden empfänglicher. Wenn man die Augen zumachen würde und nur den Sound eines Films hören würden. Das wäre eine völlig andere Erfahrung.

Die Stille ist eine innere Stille. Man kann auch mitten in der Stadt Stille erfahren. Es ist nicht daran gekoppelt, dass es ganz still ist. Denn dann hört man sein Blut oder sein eigenes Herz und dann stört das auch. Das Problem ist, wenn man etwas bewertet. „Ich will das nicht, dieses Geräusch“. Worum es dann geht, worunter man leidet ist, man will etwas, das man nicht hat. Oder man will etwas nicht, was man hat.

Man muss die Kokonerfahrung bei sich behalten.

Sie arbeiten mit den verschiedensten Materialien. Was ist Ihr Material? Ist Ihr Material der philosophische Zugang?

Man könnte sagen, das Material ist immer eine Konsequenz der Situation. Es geht immer um Raum und Licht. Hier ist es auch so. Ich will die Lampen über den Kokons nicht anhaben, weil das ein künstliches Licht ist. Es geht um das lebendige Licht, die Weichheit des Filz im Licht. Ich arbeite mit meinen Studenten manchmal so, dass sie lange vor einem weißen Blatt Papier sitzen müssen, ohne etwas zu machen.

Wie lange meditieren Sie täglich?

Zuhause 1,5 bis zwei Stunden.

Was ist Ihnen hier wichtig?

Ich finde die Begegnung von Kunst und Kirche schön und hoffe, dass Menschen, die hier herkommen, neugierig genug sind, die Schuhe auszuziehen, das Handy wegzulassen und sich damit auseinander zu setzen. Ich hoffe, dass es nicht nur Objekte sind, die den Raum verändern.

 

 

Secret Sky meets Berlin, Installation